Doppelte oder sogar dreifache EU261 Ausgleichszahlung?

Hallo zusammen,

die Serie an Annulierungen bei Flügen der LH Group in unserer Familie reist nicht ab.

Mein Bruder ist gestern vom FMO nach PMI geflogen und hat es glücklicherweise noch dorthin geschafft.

Ursprünglich gebucht war:

FMO-MUC LH2143 5:55-7:00 → annuliert
MUC-PMI 4Y450 8:15-10:25

LH2142 am Vorabend wurde annuliert und dankenswerter Weise informierte mich die LH per Mail, SMS und Push-Nachricht um 20:50 Uhr, dass LH2143 auch annuliert wurde.

1. Umbuchung
Um 20:58 Uhr erhielt ich eine Email, dass ich auf die folgende Verbindung umgebucht wurde. In der Email wurden die Flüge als „Confirmed“ ausgewiesen.

FMO-FRA LH63 6:50-7:40 → annuliert
FRA-PMI LH1530 9:05-11:15

Um 21:02 Uhr erhielt ich dann die Mail, dass LH63 annuliert wurde, weil der Flieger am Vorabend nicht mehr rausging in FRA. Das lag möglicherweise an dem Unwetter.

2. Umbuchung
Dann kam die Info mit der neuen Umbuchung.

FMO-FRA LH65 10:35-11:25 → über 2h verspätet
FRA-PMI LH1158 13:05-15:15

Der Flieger kam fast mit 1h Verspätung rein. Da geht man noch davon aus, dass die bei der kleinen CRJ9 einen super schnellen Turnaround hinbekommen. Pustekuchen. Der Flieger war überbucht und sie boten 250 Euro an, wenn man nicht mitfliegt. Hatte ich überlegt, da man mich sicherlich auf einen Direktflug ab DTM hätte umbuchen können. Transfer zwischen den Flughäfen wäre nur schwierig geworden. Sie hatten aber auch ganz fix eine Gruppe von 4 Leuten. Im Flieger stellte sich dann heraus, dass eine Person zu viel an Bord war. Ein Pilot in Dienstuniform auf einem Passagiersitz wurde dann rausgeworfen… Und dann war das Paperwork nicht vorbereitet, sodass der Flieger mit mehr als 2h Verspätung raus ging statt 11:25 um 13:25 ankam. Damit war der Anschluss weg.

3. Umbuchung
Nach der Landung sofort die Hotline angerufen und man konnte immerhin den letzten freien Sitz auf einem Direktflug nach Mallorca an diesem Tag klar machen.

FRA-PMI16:15-18:20
Der war dann immerhin pünktlich und als Bonbon war es der Flieger mit dem Pilot-Entertainmentsystem :grin:

Die Frage ist nun, welche Entschädigung meinem Bruder zu steht.

Ganz klar mindestens 2 x 250 Euro

  1. 250 Euro für die Annulierung
  2. 250 Euro für die zusätzliche Verspätung von 3h durch den verpassten Anschluss

Streng genommen gab es 2 Annulierungen zwischen denen nur wenige Minuten lagen, aber die erste Umbuchung war eben bestätigt.
Die Zeit dürfte keine Rolle spielen. Mein Bruder hatte schon mal kurzfristig bei LH gebucht. 3min später wurde sein Flug annuliert und LH hat die 400 Euro ohne Wiederstand gezahlt.

Daher meine ich, dass 625 Euro anzusetzen sind.

  1. 125 Euro für die erste Annulierung, weil die Umbuchung nach Plan nur zu einer Verspätung von 50min geführt hätte. Bei Annulierungen und dennoch Ankunftsverspätung von weniger als 2 Stunden halbiert sich der Anspruch. Oder vllt. sogar 250 Euro, weil man doch viel später angekommen ist?
  2. 250 Euro für die zweite Annulierung
  3. 250 Euro für die zusätzliche Verspätung von 3h durch den verpassten Anschluss

Doch ein sehr interessanter Fall für unser Forum! Was meint ihr?

Viele Grüße
Felix

Ein gebuchtes Ticket.
Eine saftige Verspätung bei der Ankunft am Endziel.
Eine Entschädigung.
Das war’s.

Übrigens hātten die €250 für den freiwilligen Rauswurf auch keine Zusatzzahlung generiert.

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Dein Bruder hat im obigen Fall nur einmal Anspruch auf EU261, da er am Reiseziel PMI eine Verspätung von mehr als 3Stunden hatte.

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Und falls es bei der Verspätung von 50mins bei dem ersten Flug geblieben wäre hätte es gar nichts gegeben da die Ankunft am Endziel pünktlich gewesen wäre.

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@marepacificum und @corn
Arbeitet ihr für eine Airline?

Die doppelte Entschädigung ist nicht strittig. Die 2. Umbuchung wurde spätestens durch den erneuten Online Check-In akzeptiert. Gibt ein Referenzurteil vom EuGH

EuGH, Urteil vom 12.3.2020, Az.: C-832/18
„Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 und insbesondere ihr Art. 7 Abs. 1 sind dahin auszulegen, dass ein Fluggast, der wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und den ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativflugs hat, wenn diese Verspätung eine Anzahl von Stunden beträgt, die zu einer Ausgleichszahlung berechtigt, und das den Alternativflug ausführende Luftfahrtunternehmen dasselbe ist wie das des annullierten Fluges.“

Hier schön vom ADAC aufbereitet

„Nach Auffassung des europäischen Richter enthält die Verordnung* keine Bestimmung, mit der die Rechte der Fluggäste, die einen Ersatzflug akzeptieren, beschränkt werden sollen. Fluggäste, die Annullierungen oder große Verspätungen hinnehmen mussten, hatten zwei Mal Unannehmlichkeiten: einmal wegen der Annullierung ihres ursprünglich gebuchten Fluges und später noch einmal wegen der großen Verspätung ihres Alternativfluges. Die Richter sahen es als gerechtfertigt an, wenn diesen Fluggästen ein Ausgleichsanspruch für jede dieser aufeinander folgenden Unannehmlichkeiten gewährt wird.“

Also gibt das durchaus Raum für eine dreifache Entschädigung. Die Frage ist eben, ob die erste Umbuchung akzeptiert wurde, wenn man schweigt oder ob wirklich eine aktive Bestätigung des Fluggasts erfolgen muss.

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Dem Urteil folgend hätte es auch für den Rauswurf nochmal die 250 Euro gegeben.

Ich sehe hier auch gute Chancen für 3x250€. Nicht schlecht!

Ich sehe nur für 2x Chancen auf Entschädigung. Die 2 Annullierungen des gleichen Flugsegmentes ist schon etwas weit hergeholt und würde für echte Erfolgsaussichten einen sehr guten Anwalt bedürfen, davon gibt es für Reiserecht nicht zu viele.
Beim Rauswurf gäbe es eigentlich nix mehr, da man bei LH so einen Wisch unterschreiben muss, dass man mit der Zahlung auf weitere Ansprüche verzichtet. Ob dies vor Gericht standhalten würde, ist erstmal ein anderer Punkt.

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Das mit dem Urteil des EuGH ist aber eine nette Überraschung. Also doch zweimal Entschädigung. Interessant.

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Jetzt bleibt nur noch das leidliche Thema, Recht haben ist nicht gleich Recht bekommen und schnell wird es sicherlich auch nicht gehen. Also Geduld und einen langen Atem.

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Vorsicht! Das von Dir genannte Urteil kannst Du mit Deinem Fall nicht 1:1 vergleichen.
In Deinem Fall hattest Du Deine Flugreise von Anfang an mit mehreren Flugabschnitten gebucht.
Das sind wieder ganz andere Voraussetzungen als die in dem von Dir genannten Urteilsbsp.

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In so einem Fall würde ich zu einem versierten Anwalt raten. Ich persönlich habe schon gute Erfahrungen mit Dr. Matthias Böse gemacht, der auch einen guten Blog zu Reiserechtsthemen hat (–> einfach in Google nach ¨drboese reise blog¨ suchen, da ich her keine links posten kann / darf. )

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Er ist auch hier im Forum aktiv. Aktuell kann er sich, wie einige der Mitglieder hier sicherlich bestätigen können, vor Arbeit kaum retten und nimmt nicht mehr jedes Mandat an.