andere länder andere sitten: beerdigung Saigon - style

In Vietnam heute große Trauer: die beisetzung von Thich Nhat Hanh ein höchst verehrter mönch & friedensaktivist, vom status her vergleichbar mit dem Dalai Lama oder Papst. er wurde stolze 96 jahre alt. Setze unten link zu youtube video der zeremonie

Bei dem umgang mit den toten sieht man den unterschied der kulturen: bei uns ist das ex & hopp in 1 std erledigt, in Vietnam aber tagelange veranstaltung.

Hier als beispiel alte mail an freund, beerdigung meiner schwiedermutter, fiel mir gerade wieder ein als ich den trauerzug sah:

Ich kam gerade wieder 3 oder 4 tage vorher aus Saigon in D an als meine frau anrief, schwiegermutter sei tot. war gut 80, lange leidend, keiner wußte was los war. also eine erlösung. war ne richtig liebe oma, glück im unglück das meine frau & tochter ihre letzte woche erlebt haben. das ende kam dann ohne vorwarnung. glaube fast das sie mit dem sterben auf die beiden gewartet hat. ich also mit nächstem flieger zurück nach Sgn.

als ich ankam lag sie schon einen ganzen tag und eine nacht im tempel, zuhause auf der etage geht nicht da der sarg dann nicht rauskäme. ( früher wurden die toten hier auch zuhause aufgebahrt, heute verboten) fast alle meine alten mitarbeiter waren da, einige mehrfach, 2 sind am ende mit vor die stadt zum friedhof gekommen. hat mich gefreut, ein paar der typen waren mir in den 20 jahren schon ans herz gewachsen…

im tempel sammelt sich die familie, die jüngeren bleiben 2-3 tag rund um die uhr am sarg, die älteren schlafen zuhause. jede familie holt 2-3 mönche die der seele einweisung geben und die gemeinde trösten, wir haben aus dem vollen geschöpft & hatten 10. die kamen jeden tag 2 mal und beten / singen ne halbe std. einmal sind mir beim hocken beide beine eingeschlafen, peinlich. Die genze zeit brennen räucherstäbchen damit die seele weiss wo der himmel ist wenn sie den körper verläßt, sie muß nur dem rauch folgen

wenn der abschied dann kommt kommt der bestatter mit seinen trägern und ner dixie blech- band. die schmettern ein paar lieder , extrem schräge mischung aus dixie und marsch. Habe ich alle paar wochen in der nachbarschaft beobachtet, oft mitten in der nacht, die mönche bestimmen den richtigen moment.

der zeremonienmeister führt ne art ballet vor der leiche auf. dann wird der sarg angehoben, mit dem kopf zum buddha gedreht und kopfteil 3 mal als gruss abgesenkt.

danach zu fuß über eine der größten strassen von Sgn - 2x3 spuren im dicksten berufsverkehr zum leichenwagen. erstaunlicherweise hat jeder gehalten und niemand versucht durchzuwieseln. wir hatten dann wieder ein extra: einen kleinen leichenzug, die 10 mönche und wir zu fuß vor dem wagen her, nach 800 metern dann aufsitzen und zum friedhof. Auf dem weg dorthin wirft man millionen auf die strasse als passage, leider nur fakegeld.

Am friedhof weit vor der stadt wieder gebete ( kommentar von nem jungen mönch: „was dauert der scheiss heute wieder lang“, sind auch keine heiligen…) nach der beisetzung - oma hatte angst vor feuer also ab in die erde - gab es dann aufs grab wieder ihre leiblingsspeisen, wie die vorher auch schon im tempel alle paar stunden vor dem sarg aufgetischt wurde. in ca 10 jahren wird sie dann wieder ausgegraben und kremiert. die urne dann im tempel aufgebahrt

vom friedhof dann zur wohnung, der älteste & höchste mönch mit. dort erklärt er der seele das sie nun hier nicht mehr hingehört sondern nur als gast kommen darf. dann eine irre sache: jeder verwandte hatte weisse trauerkleidung aus papier, die engsten mütze und langen kittel, die ferneren so wie ich nur die kappe. wenn alles durch ist besprengt der mönch jeden mit weihwasser, nimmt die trauerkleidung ab und verbrennt die unter gebeten. es ist unheimlich wie stark das die last von der seele nimmt. ähnlich wie nach der trauerpredigt und vor allem nach Kaffee & Kuchen ( für Bayern: leichenschmaus) im kreis der freunde und nachbarn als meine eltern starben, auf einmal war die trauer keine belastung mehr.

zu guter letzt dann 2 tage später abends in den großen tempel, riesen gottesdienst. habe leider nciht kapiert ob das jeden abend gemacht wird oder nur für trauerfamilien, wir waren 4 familien. an die 50 mönche und genau so viele laien-frauen, dazu ein paar nonnen. gebete der mönche in ner art schnellfeuer- rap und dazu die gesänge der frauen, gänsehaut pur. gerade die frauen haben es geschafft 30 minuten ohne atempause zu singen, ne art sprechgesang. hab mich in den arsch gebissen das meine frau nicht an nen video- mann gedacht hat, das ganze war trance pur. danach dann 3 mal im gänsemarsch den tempel durchrundet incl der seitennischen mit den urnen der vielen toten. dazu ein nonstop- mantra auf sanskrit, verstand zwr keiner aber alle waren inbrünstig am aufsagen. ziel wieder der seele hilfe zur orientierung zu geben.

man muß weder fromm sein noch an den buddhismus glauben um da permanent ne gänsehaut zu haben.

tja, andere länder, andere sitten

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Danke für den interessanten Augenzeugen Bericht.

Klingt nach einer sehr würdigen Veranstaltung für den Verstorbenen und aber auch nach einer sehr durchdachten Zeremonie, um den Angehörigen den Abschied zu erleichtern., und dieser Aspekt ist ja auch sehr wichtig.
Wenn man darüber nachdenkt, wie sehr sich die Familienverbände in westlichen Ländern aufgelöst haebn , dann ist unser heutiger Umgang mit dem Tod wahrscheinlich aúch nur eine logische Enticklung.
Herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen ´hast, uns diesen Einblick in in andere Sterbens Kultur - und vielleicht auch einen Moment der Reflexion über dieses Thema - zu ermöglichen!

jupp. andere welt und in diesem fall m.M. bessere welt. war hier vor langem zuminmdest auf dem dörpen auch so aber das thema wurde kpl verdrängt als wenn man dann nicht sterben müße wenn man das nicht anspricht.

als unser vater starb, qualvoll, 8 tage nach blinddarmdurchbruch (bereitschaftsarzt empfahl 2 Aspririn zu nehmen) durften die kinder meines bruders, um die 8- 12 alt nur am ersten tag 1 x mal ins Kh, das belaste die zu stark und auch zur beerdigung durften sie nicht mit. nix für kinder. unsere war auch 10, und ist noch heute dankbar das wir eingeflogen sind und sie immer dabei sein durfte incl aufbahrung.

vorhin fiel mir noch was ein: die beerdigung konnte der dorfpastor wg krankheit nciht vorbereiten, stattdessen kam junge pastorin- azubine für das vorgespräch. beim gehen drehte sie sich noch mal in der tür um und sagte ganz beiläufig / selbstverständlch: Ihr vater ist nun in einer besseren welt. in dem moment habe ich religöse menschen beneidet…

Hmm, mich hat das Thema Sterbekultur schon immer interessiert - wollte deshalb unbedingt mal nach Varanasi. Es hat sich gelohnt - an keinem anderen Ort, den ich kenne, steht der Tod so im Mittelpunkt und sind die Vorschriften so extrem detailliert und abgestuft nach Kaste und Status der Verstorbenen. Wahrlich eine andere Welt - eine nur mit einem weissen Tuch verhüllte Leiche, aufgebahrt zum Transport provisorisch festgemacht auf einem Autodach auf dem Weg in die Stadt sieht man bei uns ja eher selten. Dort wird mit den ganzen Zeremonien mit dem beendeten Leben wohl besser abgeschlossen, denke ich.

Finde es ziemlich entwürdigend, dass das Sterben in unserer Gesellschaft so tabuisiert und ausgegrenzt wird ,outgesourced in Krankenhäuser- die wachsende Anzahl der anonymen Gräber spricht Bände. Vielleicht sterben wir ja alle nicht, wenn wir nicht drüber reden. Genauso, wie wir alle jung bleiben, wenn wir auf Insta nur unsere Schokoladenseite präsentieren…
Leider hat mich keine Religion je über den Verlust eines geliebten Menschen oder mit der Hoffnung auf eine bessere Welt trösten können.

Nur die Zeit hilft - und die Erinnerung.

just my 2 cent

stimme Dir 100% zu, in etwa auch meine denke. die gats in Varanasi in der tet irrre, konnte heiligabend 1979 kein geld wechseln also den ganzen tag dort verbracht, 1 std wird man angestarrt, danach ist man unsichtbar. war toller tag

meine tochter war sehr eng mit ihrem opa, immer wenn wir in D waren waren die unzertrennlich. dank nachkrieg + Sibirien war er 35 als ich geboren wurde und ich habe dann auch 41 jahre gewartet, daher hat sie ihre großeltern früh verloren. sie ist eine excellente finelinerin, so hat sie es im nachhinein verarbeitet:
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Timo: das hier ist einer meiner absoluten lieblingsfilme aus einem zyklus „dreams“ des genialen Kurosawa, tod kann auch heiter sein…