Wie einige ja schon mitbekommen haben, bin ich kürzlich mit dem Nightjet Augsburg-Hamburg-Augsburg in der Minicabin gefahren.
Das Konzept bzw. Hard Product ist ziemlich solide (gibt ja einige Video-Reviews auf Youtube dazu), die Kabine selbst ist prinzipiell nicht schlecht. Mit meinen 1,74m kam ich gut klar, bei >1,80m wirds m.E. problematisch, weil zu kurz. Anwinkeln der Beine ist auch schwierig, weil dafür etwas zu eng. Cool ist, dass wenn man zu zu zweit unterwegs ist, den Trenner zur Nachbarkabine aufmachen kann, und sich so sieht. Die nicht abschaltbare Klimaanlage, die einem ins Gesicht pustet, nervt (für die Rückfahrt wäre ich mit Tesastreifen gerüstet gewesen, um diese abzukleben).
Auf das Hard Product will ich auch gar nicht näher eingehen, da dies auf meiner Reise nur einen nebensächlichen Teil eingenommen hat:
Kabine, bissl „Schlafen im Kofferraum“ Feeling. Es gab noch „Bettzeug“ (im Prinzip einen leintuchartigen Schlafsack und eine Decke, die man aus der Eco kennt, sowie ein kleines, weiches Kissen).
So sieht es aus, wenn man seine „Tür“ zumacht.
So sieht der Eingangsbereich aus, wenn die „Tür“ offen ist.
Es sind immer zwei Kabinen nebeneinander, und darüber dann nochmals zwei nebeneinander.
Und in die Treppe eingearbeitet zwischen den Stufen hat jeder 2 Fächer (ein kleines für Schuhe, ein größeres für einen Rucksack), alles öffnet sich mit einer Keycard, die man bekommt.
Alles drum herum ist leider ziemlich dilettantisch.
Hinfahrt:
Abfahrt hätte am Freitagabend um 23:47 Uhr in Augsburg sein sollen. Wegen der Unwettersituation in der Vorwoche in Bayern habe ich die Verbindung schon Tage vorher im DB Navigator verfolgt und dabei festgestellt, dass Montag/Dienstag/Mittwoch der Zug gestrichen war bzw. Augsburg ausgelassen wurde (der Zug fuhr dann von München aus immer direkt zum nächsten Halt in Nürnberg). Am Donnerstag wurde Augsburg endlich wieder angefahren, allerdings hatte er ca. 2 Stunden Verspätung.
An meinem Tag also war ich sehr erfreut, dass der Zug um 00:19 Uhr mit nur einer halben Stunde Verspätung angekündigt wurde, das passt auch zur ca. halbstündig verspäteten Abfahrt in München.
Der Zug war zwar am Bahnsteig angeschrieben (und auch in der DB Navigator App mit Gleis 1 angegeben), auch die automatisierten Ansagen im Bahnhof verhießen Gutes. Problem war nur, der Zug kam einfach nicht. Irgendwann so gegen (00:35 Uhr) ist er kommentarlos von der Anzeigetafel am Gleis verschwunden, in der App war alles unverändert gelistet, mit Halt 00:19 Uhr. Natürlich war am Augsburger Hbf kein Mitarbeiter (ausgenommen DB Sicherheit) aufzufinden. Natürlich hatte die DB Hotline eine Wartezeit von 33 Minuten (Hinweis: nach über 40 Minuten war immer noch keine Person dran). Die ÖBB Hotline hat nachts passenderweise gleich ganz geschlossen. Da jedoch alle anderen ICEs in Richtung Hamburg auch ausgefallen sind oder sich immer weiter verspäteten sah ich für meine Reise immer schwärzer.
Nach über einer Stunde Ungewissheit kam gegen 01:35 Uhr unverhofft eine SMS und die Ankündigung in der App, dass der Zug nun doch gegen 01:53 Uhr nach Augsburg kommen würde. In welches Loch er gefallen war, wurde nicht genannt. Aber den Kunden völlig ohne Information zurückzulassen (ist er vorbei gefahren, ganz ausgefallen oder kommt er doch noch irgendwann), war schon ziemlich mies.
Problem war nur: auf dem angekündigten Gleis 1 war zeitgleich der einzig andere zu dieser Zeit haltende Zug des Bahnhofs eingeplant. Also Augen auf und mit dem Versagen der zuständigen Stellen gerechnet. Tatsächlich sah ich den Nightjet dann ohne jegliche Information am Bahnhof auf Gleis 4 einfahren. Also Sprint einmal über den Bahnhof. Zur Freude dann in umgekehrter Wagenreihung, d.h. der in Nürnberg nach Amsterdam abzukoppelnde Teil war dort, wo wir unseren Wagen nach Hamburg erwartet hatten. Natürlich auch gänzlich ohne Information, nicht mal die ausgestiegenen Zugbegleiter wiesen darauf hin.
Die Fahrt selber war ganz ok. Nur eine Durchsage gegen 04:45 Uhr, dass bis 08:00 Uhr Nachtruhe gelte und auch (Achtung Ironie!) keine Durchsagen gemacht werden - in Maximallautstärke - störte den Frieden. Schlafen konnte ich eigentlich relativ gut (klar, schon oft aufgewacht, aber trotzdem), aber da wir erst um ca. 02:30 Uhr bereit fürs Bett waren, und um 07:00 Uhr schon wieder fürs Frühstück geweckt wurden (ist ja nicht so, dass man hätte länger schlafen können aufgrund der heftigen Verspätung), war die Nacht halt entsprechend kurz.
Das inkludierte Frühstück (2 Brötchen, 1 Stück Butter, 1 kleine Marmelade, 1 Kaffee) ist ganz ok. Außerdem bekam jeder Gast ein 0,2l Wasser beim Einstieg. Bettzeugs wurde übrigens ebenfalls zeitnah eingesammelt, so dass man dann die letzten 2-3 Stunden in der „nackten“ Kabine (wie auf obigem Foto) verweilen konnte. Auf dem Gang stehen war schlecht möglich, weil ziemlich eng. Das Produkt ist für den Tagbetrieb nicht gemacht.
Die Verzögerung zwischen München und Augsburg - so stellte sich im Gespräch mit Mitreisenden und Personal heraus - kam übrigens daher, dass der Lokführer von München raus in die falsche Richtung gefahren ist, Richtung Ostbahnhof/Wien. Klar hat er dafür nur bedingt selbst Schuld, aber feststellen hätte er das vielleicht schon zeitnaher können.
Kurz vor HH-Harburg nochmal Chaos: Ansage, dass wir nach Hamburg Hbf umgeleitet werden würden, und dadurch weitere 80 Minuten Verspätung anfallen würden. Also spontane Überlegung (bei Mitreisenden auch) in HH-Harburg auszusteigen, alles zusammengepackt für einen schnellen Abgang. Zuvor am Bahnsteig aber nochmal Rückfrage bei der Zugchefin. Antwort: nein, doch keine Umleitung mehr, in 10 Minuten wären wir jetzt doch am Hbf. Aber ist ja nicht so, dass sie dafür nochmals eine Durchsage für nötig gehalten hätte. Ankunft Hamburg Hbf dann schließlich doch „schon“ um 11:00 Uhr (anstatt planmäßig 08:30 Uhr).
Wer jetzt entsetzt ist und denkt, so könne man doch mit zahlenden Kunden nicht umgehen, sollte hier besser aufhören zu lesen.
Rückfahrt:
Am Sonntag um 20:10 Uhr sollte die Rückfahrt gehen.
Um ca. 19:10 Uhr kommt eine E-Mail, dass die Fahrt ausfallen würde. Zum Glück waren wir zu der Zeit schon am Bahnhof. Also ab ins Reisezentrum, um zu fragen, ob dann in solch einem Fall wirklich freie Zugwahl bei der DB gilt, davon hatte ich gehört (Hinweis: der Nightjet wird ja von den ÖBB betrieben).
In Hamburg ist das DB Reisezentrum derzeit in einem Provisorium, es gibt - wie sonst in den Reisezentren üblich - keine Nummern zu ziehen, und damit auch keine Möglichkeit BahnBonus Priorität zu bekommen. Außerdem ist nur 1 Schalter besetzt (vorgesehen haben sie aber 12). Viele Leute dort, lange Schlange, Stimmung sehr angespannt. Um 19:30 Uhr bekomme ich die völlig geschockt die Information, dass es noch keine Freigabe zur Nutzung von DB Zügen seitens der ÖBB für diesen Ausfall gäbe, ich könne aber zu meinem „Wunschzug“ gehen, und dort der Zugbegleiter „bitten“, ob er mich trotzdem mitnehmen würde. Stellt sich also heraus, dass die DB Freigabe offenbar nicht pauschal gilt, sondern immer fallweise entschieden wird.
So wird man als zahlender Kunde mit Bett also zum Bittsteller für einen Stehplatz. Mein „Wunschzug“, ICE 619, mit Abfahrt um 19:45 Uhr, war übrigens die einzig plausible Möglichkeit, in dieser Nacht ohne Umstieg nach Augsburg/München zu kommen. Andererseits war dieser auch das Fernverkehrs-Äquivalent einer Regionalbahn mit Stopps überall und maximaler Fahrzeit (Planankunft in Augsburg 05:29 Uhr).
Am Bahnsteig für den ICE: Unmengen an Leute, Schaffner gesucht und gebettelt: er meinte, ja er würde uns mitnehmen. Puh. Auf meine Frage, dass das Liegeabteil bei Ausfall normalerweise ja einen Platz in der 1. Klasse mit sich bringen würde, sagte er, nein, den würden wir nicht bekommen, dann dürften wir nicht mit.
Also ab in die zweite Klasse, einmal durch den kompletten Zug durch, zum Glück noch zwei Plätze gefunden. Eine halbe Stunde später (zur planmäßigen Abfahrtszeit des Nightjet) kam dann eine SMS, dass nun die Freigabe auf einen beliebigen DB Zug gewährt werden würde. Also Zugchefin gesucht, Leid geklagt, und gebeten, ob jetzt, wo wir nun keine Bittsteller mehr wären, wir wenigstens in die erste Klasse gehen dürften. Sie kannte sich mit dem Nightjet erstaunlich schlecht aus, war aber bemüht, und rief sogar den Schaffner der ersten Klasse an, und sicherte uns zwei freie Plätze dort. Ach so: Reservierungsanzeigen im ganzen Zug waren kaputt, deshalb konnte man nirgends wirklich wissen, ob und wann jemand welchen Sitz gebucht hatte, und welche noch frei waren.
Umgezogen einmal quer durch den Zug, und ein paar BahnBonus Gutscheine im Bistro verbraucht. Irgendwann frage ich mich, wann denn das Licht gedimmt werden wird. Antwort: gar nie. Aus Sicherheitsgründen muss die Beleuchtung mit der Intensität „Sonne“ die ganze Nacht durch an sein. Außerdem gibt es im 10 Minutentakt Durchsagen mit Anschlussverbindungen und Rechtfertigungen, warum die DB unfähig ist, und warum wir schon wieder noch mehr Verspätung haben (zwischenzeitlich knapp 2 Stunden). Das einzig löbliche war: als die 60 Minuten Verspätung durchbrochen wurden, gab es eine Durchsage, dass deshalb nun gratis Wasser im Bistro bereitgestellt sei.
Erste Klasse Sitz ungemütlich ohne Ende, das Kopfpolster mit seinem Draht verursacht Kopfschmerzen, meine Fußstütze ist kaputt und rastet nicht ein. Irgendwann steigt ein augenscheinlich Obdachloser mit einer Tasche Pfanddosen und ohne Schuhe zu, die Zugbegleiterin aus dem zwischenzeitlich dritten Personalwechsel, kam nicht mal auf die Idee, ihn nach seiner Karte zu fragen, obwohl ein anderer Gast, der von ihm belästigt wurde, sie darauf hingewiesen hatte. Natürlich setzt sich der Typ genau auf den Sitz vor mir und dreht sich von Zeit zu Zeit um, nur um sich mit mir einen etwas unbehaglichen Staring-Contest zu liefern.
Für die peco’sche Sitzabstand-Testbanane hätte es knapp werden können in dieser vermeintlichen „ersten Klasse“.
Es kam also so, wie es kommen musste: ich bekam kein Auge zu, und am Ende hätte ich jegliches Verbrechen gestanden, welches man mir anhängen hätte wollen. So ein Nacht-ICE ist Folter pur. Wer bucht so etwas wissentlich und freiwillig? Das Produkt ist für den Nachtbetrieb nicht gemacht.
Ich hab dann am Vormittag noch einige Pflichtarbeitstermine absolviert, bin am Nachmittag ins Bett und habe nahezu 16 Stunden durchgeschlafen. Da hätte ich zeitmäßig genauso gut nochmal ein Hotel und dann einen Tag-ICE nehmen können. Würde ich nächstes Mal so machen.
Diese Anzeige sagt zu dieser Zugfahrt eigentlich alles aus. Prognostiziert wird um 00:36 Uhr eine Ankunft für 00:32 Uhr mit 60 Minuten Verspätung, und der einzige Anschlusszug, der sinnvollerweise genau dahin fährt, wo dieser Zug herkommt, fällt noch dazu aus.
Fazit: Ein absoluter Höllentrip, den ich meinem schlimmsten Feind nicht wünsche und keinesfalls nochmal brauche. Aber dafür war’s wenigstens sehr günstig, für die gebotene Leistung und den Ärger trotzdem noch viel zu teuer. Hauptärgernis war die stümperhafte Informationspolitik.